Personen
Prof. em. Dr. Oskar Bandle †
Wer früher Oskar Bandle bei seiner Arbeit im Staatsarchiv Frauenfeld oder im Thurgauer Namenbuch in Kreuzlingen begegnete, ahnte kaum, welche Aner- kennung dem bescheidenen Thurgauer Professor im skandinavischen Raum zuteil geworden war. Oskar Bandle erhielt 1981 die Ehrendoktorwürde der Uni- versität Uppsala (Schweden) und 1987 diejenige der Universität Reykjavik (Is- land). Er war ordentliches Mitglied von wissenschaftlichen Akademien in Schweden und Norwegen und hat in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden weitere, bedeutende Auszeichnungen für seine Verdienste um die nordischen Sprachen erhalten.
Oskar Bandle besuchte in Frauenfeld die Volksschule und die Kantonsschule, er studierte an den Universitäten Zürich, London, Kopenhagen und Uppsala die Geschichte der deutschen, englischen und altisländischen Sprache und Litera- tur. Nach dem Doktorexamen folgten weitere Studienaufenthalte in Uppsala (Schweden), Oslo (Norwegen), Kopenhagen (Dänemark), auf den Färöern und in Island. Nach einer kurzen Tätigkeit als Redaktor am Schweizerdeutschen Wörterbuch (Idiotikon) in Zürich begann seine akademische Lehrtätigkeit in Freiburg i. Br. und Saarbrücken. Von 1968 bis 1993 war Oskar Bandle ordentli- cher Professor für Nordische Philologie an den Universitäten Zürich und Basel. Oskar Bandle machte sich besonders verdient um die Kulturvermittlung zwi- schen Skandinavien und dem deutschen Sprachgebiet. Er sprach sämtliche skandinavischen (nordgermanischen) Sprachen und war einer der wenigen ausserhalb von Skandinavien, der einen so grossen Überblick über die gesamte nordische Literatur besass. Zum Lehrstuhl von Oskar Bandle gehörten immer Sprache und Literatur. So finden wir von ihm auch in gleicher Zahl Aufsätze mit literaturwissenschaftlichen und linguistischen Themen.
Seine nordistische Forschung durfte Oskar Bandle im Jahre 2005 mit der Veröf- fentlichung eines umfangreichen Handbuches über die nordischen Sprachen abschliessen, dessen Hauptredaktor er war: «The Nordic Languages. An Inter- national Handbook of the History of the North Germanic Languages», erschie- nen 2002-2005 bei De Gruyter, Berlin / New York.
Ein zweites Lebenswerk galt dem Thurgau. 1951 hatte er mit ersten Erhebun- gen für ein Thurgauer Orts- und Flurnamenbuch begonnen. Seine Lehrtätigkeit im Ausland stoppte seine Sammeltätigkeit, und die Doppelprofessur von 1968 bis 1993 an den Universitäten Basel und Zürich liess ihm keine Zeit für einen Einsatz im Thurgau. Er engagierte sich aber dafür, dass die Arbeit von andern weitergeführt wurde. Nach seiner Emeritierung beteiligte er sich im National- fondsprojekt «Thurgauer Namenbuch» als Redaktor und Mitherausgeber. An den Siedlungsnamenbänden, die im Jahre 2003 erschienen, war er noch voll beteiligt, für die Flurnamenbände von 2007 las er noch die Korrekturen mit, und an der Buchpremiere vom 1. November 2007 durfte er mit Stolz den Abschluss seines Thurgauer Lebenswerkes mitfeiern.
Nun hat sich sein Lebenskreis in Frauenfeld geschlossen. Wir vermissen einen liebenswürdigen, hilfsbereiten und grosszügigen Menschen.
Eugen Nyffenegger
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