Personen
Dr. Claudia Keller
Laufende Forschungsprojekte
Ab 1.1.2026 werde ich als Assistenzprofessorin am Institut für Environmental Sciences and Humanities an der Université de Fribourg mit einem SNSF Starting Grant Projekt tätig sein:
Narrating Variety. Biodiversity as Paradigm of Transformation in Science and Literature
Background: The biodiversity crisis is one of the main environmental challenges facing our planet today. Preserving the variety of life requires not only political action but also a comprehensive sociocultural change to address indirect drivers of biodiversity loss such as values and worldviews deeply rooted in our society. Because narratives are viewed as a potent tool for shaping these values, stakeholders from science and communication have articulated the need for biodiversity stories that bridge the gap between knowledge and action. However, this claim is made without insights into how biodiversity is narrated.
Research gap: In contrast to the interdisciplinary research on climate change and environment, cultural and literary studies are insufficiently integrated into biodiversity research. Consequently, their methodological knowledge is not used. No analysis has yet examined how biodiversity is represented, how its conservation is justified in narration and how various forms of narration can contribute to advancing biodiversity communication.
Hypothesis: Neither scientific nor theoretical knowledge of ecosystem services or abstract ethical justification is sufficient for raising awareness of biodiversity without the value that biodiversity gains through narration. Narratives that are suitable for achieving this are specific to biodiversity, create ethical, aesthetic, and affective types of value equally, address representation and justification congruently, and suit local and sociocultural contexts.
Methods and Objectives: The project is situated within the environmental humanities and literary studies and has a focus on the German-speaking, especially Swiss context. It is structured as three subprojects: "Valuing Biodiversity" is conducted by the principal investigator (PI); "Representing Biodiversity" and "Justifying Biodiversity" are each worked on by a PhD student. The project pursues three objectives:
(1) It applies a literary perspective to the biodiversity discourse by advancing insights from the interdisciplinary field of narratology, especially those within the environmental humanities and ecocriticism.
(2) The main task of the two PhD projects is an analysis of how biodiversity gains value through narration. The analysis uses two heuristic distinctions: PhD 1 examines how biodiversity is represented, and PhD 2 investigates how biodiversity and its conservation are justified.
Both projects explore the ethical, aesthetic, and affective types of value that biodiversity gains through narration, first on the Science axis, involving science, policy, and society, and second on the Literature axis, dealing with cultural and literary discourse. The PI contributes to each axis with a comparative case study connecting representation and justification. The results of the analyses are related to scientific and theoretical knowledge of biodiversity values und systemized in an overview. The overview allows an examination of how biodiversity narration differs between the Science and Literature axes and identifies the types of value contributed by cultural discourse through specific forms of storytelling.
(3) The third objective is to derive a solid theoretical framework for future biodiversity communication from these findings, to validate them with stakeholders, and to create guidelines to be applied in biodiversity communication in Switzerland.
Impact: Objectives 1 and 2 make ground-breaking contributions to biodiversity research. They elucidate the cultural dimensions of biodiversity and its crisis in a discourse shaped primarily by the natural sciences through a pioneering analysis of biodiversity narratives that uncovers the ethical, aesthetic, and affective value that such narratives create. This brings an innovative perspective to the environmental humanities, where biodiversity has not been sufficiently addressed, especially in Switzerland. Objective 3 pursues a high-risk, high-gain approach that untaps the potential of literary and cultural studies to enhance biodiversity communication, thereby contributing to socioecological transformation and addressing the biodiversity crisis.
Politik der Ästhetik - Formen engagierter Gegenwartsliteratur
(Habilitation, 2018-2025)
Seit Jean-Paul Sartres Was ist Literatur? (1948) wird die Literaturdebatte im 20. Jahrhundert immer wieder von der Frage begleitet, was 'engagierte' Kunst ist und welche Funktion sie in der Gegenwart einnehmen kann. Dabei hat, wie Jacques Rancière in Das Unbehagen der Ästhe-tik (2007) konstatiert, die Ästhetik aktuell einen schlechten Ruf. Der Vorwurf, dass ein Werk zu ästhetizistisch und unpolitisch sei, ist im aktuellen Diskurs ebenso schnell zur Stelle wie die damit einhergehende Forderung nach 'gesellschaftlicher Relevanz'. Dabei ist dieser Vorwurf so alt wie die Ästhetik selbst. Seit ihrer Begründung als Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis im ausgehenden 18. Jahrhundert werden Kunst und Literatur immer wieder grob in zwei Katego-rien unterteilt: So unterschiedliche Strömungen wie die Weimarer Klassik, der französische und deutsche Ästhetizismus um 1900 oder die Popliteratur der 1990er Jahre wurden als eine selbst-bezügliche, rein auf die künstlerischen Mittel fokussierte Literatur beschrieben und mit dem Vorwurf eines damit einhergehenden weltabgewandten Eskapismus konfrontiert. Gegenüberge-stellt wird ihnen eine Tradition politischer Literatur, die sich in der Wirklichkeit situiert und in diese eingreifen will. Angesichts der politischen, sozialen und ökologischen Polykrisen der Ge-genwart scheint aktuell wieder eine Literatur gefragt, die zu einer Transformation der Gesell-schaft hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Zukunft beiträgt. Und doch bleibt die Frage, ob die gängige Trennung zwischen Politik und Ästhetik der Literatur der Gegenwart gerecht wird.
Mit dem Titel 'politische Ästhetik' schließt das Forschungsprojekt insbesondere an Jacques Rancière, aber auch an Theodor W. Adorno an, die beide - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise - versuchen, die Dichotomie dieser beiden Pole zu verbinden und das Politische im Ästhetischen zu verorten. Es untersucht das Spannungsfeld einer 'politischen Ästhetik' anhand von Peter Handke und Ann Cotten - zwei Autor:innen der Gegenwart, deren Person und Werk höchst umstritten sind. Beide werden auf der einen Seite als politisch wahrgenommen, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise: Handke gilt im Zusammenhang seiner Publikationen und Äußerungen zum Jugoslawien-Krieg als höchst umstritten; Cotten positioniert sich explizit in aktuellen politischen Kontexten beispielsweise mit Blick auf gendergerechte Sprache, Postkolo-nialismus oder künstliche Intelligenz. Gleichzeitig aber gilt das Werk beider Suhrkamp-Autor:innen als ästhetizistisch, artistisch und in hohem Ausmaß selbstreferentiell - wodurch sie sich stark von einem bedeutenden Teil der politischen Literatur der Gegenwart unterscheiden. Diese widersprüchliche Einordnung von Handke und Cotten nimmt das Forschungsprojekt zum Anlass für die These, dass beide Autor:innen ein Literaturverständnis entwickeln, demzufolge das Engagement und das Politische weniger in den spezifischen Inhalten als in den ästhetischen Verfahren liegt.
Mit einem ersten historischen und theoretisch kontextualisierenden Teil sowie den beiden fol-genden Lektüre-Teilen zu den Autor:innnen zeigt die Arbeit in vertieften Analysen zum ersten Mal, wie diese auf ihre je eigene Weise ein emphatisches Konzept von Literatur entwerfen, das auf poetologisch höchst reflektierte Weise die Wirksamkeit von Literatur in den ästhetischen Verfahren verortet und als Politik der Ästhetik entwirft. Mit dem Vergleich dieser beiden Au-tor:innen, wobei Cotten sich explizit auf Handke bezieht und sich zugleich kritisch von ihm dis-tanziert, nimmt die Arbeit eine Revision der Polarisierung zwischen l'art pour l'art und politi-scher Kunst vor und leistet einen differenzierten Beitrag dazu, wie die Poetiken dieser beiden Autor:innen mit ihren spezifischen ästhetischen Verfahren und der ihnen inhärenten Wirkungs-ästhetik utopische Räume schaffen, die auf individuelle Veränderung und gesellschaftliche Transformation zielen. Durch diese Partizipation am gegenwärtigen utopischen Schreiben wer-den sowohl die Relevanz als auch die Grenzen dieses Literaturverständnisses in Hinblick auf die Herausforderungen der Gegenwart greifbar.
Abgeschlossene Forschungsprojekte
- Die Kunst in der Kultur. Anfänge moderner Kunsttheorie und Kulturgeschichtsschreibung in der Weimarer Klassik (SNF-Projekt, Leitung Prof. Dr. Sabine Schneider, 2012-2015)
- Winckelmann. Moderne Antike (Forschungs- und Ausstellungsprojekt, Leitung Prof. Dr. Elisabeth Décultot und Prof. Dr. Thorsten Valk, Halle (Saale) und Weimar, 2015-2017)
Forschungsschwerpunkte
- Kulturelle Wahrnehmung von Biodiversität, Biodiversitätsnarrative
- Literatur und Ökologie
- Natur-Kultur-Beziehungen
- Politik der Ästhetik und Formen engagierter Literatur, besonders in der Gegenwart
- Theorien des Lesens/Schreibens
- (digitale) Gegenwartsliteratur
- Literatur, Kunst und Ästhetik um 1800, Aufklärung und Klassizismus, insbesondere Johann Wolfgang Goethe und Johann Joachim Winckelmann
- Kulturgeschichtsschreibung und Kulturtheorie im 19. Jahrhundert und um 1900
- Intertextualität, Intermedialität, Bildwissenschaft, Gattungstheorie und Gattungspoetik
Veranstaltungen und Tagungen:
- Abendvortrag und Workshop von/mit Dr. Eva von Redecker (zusammen mit Benno Wirz), 31.5. und 1.6.2022, Universität Zürich
- Ein anderes Erzählen. Peter Handkes "Die Obstdiebin" - ein Zürcher Workshop (zusammen mit Karl Wagner und Valerie Meyer), 20.-22.2.2020, Universität Zürich
- Gestundete Zeit. 100 Jahre Hans Josephsohn. Internationale Tagung und Podiumsdiskussion (zusammen mit Bärbel Küster), 21.-23. November 2019, Universität Zürich / Sitterwerk St. Gallen
- Poetik der Architektur. Peter Zumthor im Gespräch mit Aleida Assmann, in Kooperation mit dem Literaturhaus Zürich, 21. Mai 2019, Augustinerkirche, Zürich
- Poetik der Architektur. Workshop mit Aleida Assmann, 21. Mai 2019, Universität Zürich
- Klassizistische Moderne. Stefan George (1868-1933). Internationale Tagung (zusammen mit Sabine Schneider und Philipp Theisohn), 4.-6. Oktober 2018, Universität Zürich
- Aus dem Takt. Unverfügbarkeit der Zeit als ästhetisches Problem im 19. Jahrhundert. Internationale Tagung (zusammen mit Sabine Schneider und Dirk Oschmann), 16.-18. Mai 2018, Universität Zürich
- Archäologien der Moderne. Winckelmann um 1900. Internationale Tagung (zusammen mit Martin Dönike und Christoph Schmälzle), 29. Juni-1. Juli 2017, Goethe-Nationalmuseum, Weimar
- Kunstgeschichte, Anthropologie, Ethnologie. Disziplinäre Grenzgänge mit und nach Winckelmann. Workshop (zusammen mit Elisabeth Décultot und Martin Dönike), 9. Juni 2017, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- Queering Winckelmann. Podiumsdiskussion in Kooperation mit dem Schwules Museum* Berlin (zusammen mit Wolfgang Cortjaens), 17. Mai 2017, Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar